«Als Notarzt bin ich immer nur so gut wie das ganze Rettungsteam.»
Tobias, 32 - Notarzt
Ich bin als Notarzt «keine Einzelmaske» und stehe nie in Konkurrenz mit den Kolleg:innen im Rettungsdienst.
Vielmehr läuft jeder Einsatz immer gemeinsam Hand in Hand. Jede:r hat seine*ihren klaren und spezifischen Aufgaben in der Rettung und die macht jede:r von uns stets verantwortungsbewusst und professionell. Und immer nur zusammen und in klarer Absprache. Sonst funktioniert das nicht. Denn in jedem Einsatz sind wir alle vollkommen abhängig vom reibungslosen Zusammenspiel des gesamten Teams angewiesen – vom*von der First Responder:in, den Feuerwehrkräften oder auch den Polizist:innen, welche uns oftmals unterstützen.
Von der Kompetenz und Kommunikation eines*einer jeden Einzelnen hängt der Erfolg unserer aller Arbeit ab.
Angefangen von den Notrufdisponent:innen, welche den Notruf entgegennehmen und die Alarmierung der benötigten Kräfte koordinieren, bis hin zur Übergabe unserer Patient:innen an das medizinische Team in der Notaufnahme im Spital. Jede beteiligte Person, auch jede:r Ersthelfer:in vor Ort, ist im akuten Notfall wichtigste:r Mit-Akteur:in und auf die Unterstützung und adäquate Hilfe aller anderen angewiesen. Denn nicht ich allein als Notarzt versorge oder «rette» die Patient:innen und trage dabei alle Verantwortung, sondern wir, das ganze Team, alle zusammen machen das.
Für das Leben eines Menschen geben wir alles: immer und ohne Ausnahme! Das kann ich so sagen und das ist auch gut so. Es geht schliesslich nicht nur um das Leben oder den Tod eines Menschen, sondern auch um das Verhindern und Ausschliessen von gesundheitlichen Folgeschäden und vermeidbaren Schmerzen und Verletzungen. Um ein oder mehrere Menschenleben im Ganzen. Es ist nicht nur unser Können und sicher nicht unser Ego, das bei Notfall-Einsätzen im Vordergrund steht oder stehen darf, sondern das Wohl und die Würde der Patient:innen; und das immer mit individuell unterschiedlichsten Bedürfnissen, Interessen und Schwierigkeiten.
Im Notfall gibt es oft keine einfache und sofortige Lösung aller akuten Probleme und Unklarheiten. Oft ist es nicht einfach nur ein «Richtig oder Falsch», was man abwägen muss. Das ist immer herausfordernd – für alle Beteiligten. Es ist nicht der laut piepsende Ton meines Pagers, der praktisch immer unerwartet kommt und manchmal sehr unangenehme Emotionen in mir weckt.
Natürlich gibt es auch Einsätze, die mir Muffensausen bereiten: Geburten zum Beispiel. Da geht es bekanntlich auch um Minuten, um das Leben oder den Tod von mindestens zwei Menschen, Mutter und Kind oder sogar mehrere Kinder. Bei Kindern und Neugeborenen ist das immer auch besonders emotional herausfordernd für alle Beteiligten. Hier die professionelle Distanz zum ganzen Geschehen zu haben und immer professionell und effektiv zu arbeiten, ist eine Herausforderung, welche ich mir äusserlich nicht anmerken lasse, aber mich dennoch innerlich bewegt.
Für mich ist bei einem Einsatz nicht nur das Erkrankungs- und Verletzungsbild zentral, sondern immer auch die Frage: Wie geht’s der vor mir liegenden Person? Was braucht sie grade wirklich? Was braucht sie jetzt konkret von mir als Arzt und uns als Rettungsteam? Sicher sind Entscheidungen und Abwägungen dann mit am schwierigsten, wenn Patient:innen schwer vorerkrankt – sogar sterbenskrank – oder im fortgeschrittenen Alter sind. Reanimieren oder nicht. In solchen Notfallsituationen immer allen Menschen gerecht zu werden, ist äusserst schwierig; was würden die Patient:innen nun wollen – und was möchten die Angehörigen, die Familie? Solche Fragen sind oft unter den gegebenen Umständen in Notfallsituationen schnell zu entscheiden.