«Ich bin daran gewachsen und dafür bin ich dankbar.»

Michi, 33 - Zivilschützer

Mein grösster Einsatz in meiner 13-jährigen Laufbahn im Zivilschutz war ganz klar im Rahmen der COVID-19-Pandemie. Er hat mich enorm geprägt und ich konnte viel daraus lernen.
Am 20. März habe ich gegen zehn Uhr einen Anruf bekommen, dass ich in drei Stunden zu einem Rapport in den Zivilschutz einrücken solle. Ich nahm mein Handy samt der Alarmmeldung in die Hand und ging zu meinem Chef, dem ich nun erklären musste, dass ich an einem anderen Ort gebraucht werden würde. Verabschiedet habe ich mich mit den Worten: «Ich muss in den Einsatz und ich kann dir noch nicht sagen, wann ich wieder auf der Arbeit hier erscheinen werde!»
Vor Kurzem hat ein neuer Kommandant das Zepter in unserer Zivilschutzorganisation übernommen. Ich kannte ihn nicht und ging mit gemischten Gefühlen an die Erstbesprechung.
Ich konnte mir nicht wirklich ausmalen, was mich im Einsatz erwarten könnte. Zu diesem Zeitpunkt war bei mir ein einziges Bild im Kopf präsent: Ein Dutzend toter Menschen auf dem Boden in einem Spital im Ausland, welches zu wenig Kühlräume für die Verstorbenen hatte.
Es war eine dieser Aufnahmen im Fernsehen, die uns bereits deutlich machte, dass uns eine gewaltige Krise mit unklarem Ausgang erwarten würde.
Für mich war klar, dass wir das Gesundheitswesen unterstützen werden.
Meine grösste Angst war, dass wir mit unseren Einsatzfahrzeugen Einsätze im Rahmen von Transporten schwerstkranker oder toter Menschen leisten müssten.
Den Umgang mit Verstorbenen bin ich mir schon gewohnt, sodass ich mit einer solchen Aufgabe nicht zu kämpfen gehabt hätte. Ich stelle es mir jedoch unglaublich herausfordernd vor, sterbende Personen auf dem Weg in ein Palliativzentrum zu begleiten. Ich kann mir die Intensität der psychischen Belastung erst gar nicht vorstellen…
«Michi, ich möchte von dir, dass du den Dienstbetrieb hochfährst und ein Camp soll umgehend aufgebaut werden», so lautete mein Auftrag.
Darauf erwiderte ich: «Was genau willst du von mir? Ich bin eigentlich nur als Fahrer eingeteilt und habe keinen blassen Schimmer, wie ich diesen Befehl umsetzen soll.»
Ich fühlte mich definitiv nicht bereit, in diese Rolle zu schlüpfen.
Eigentlich war ich immer als Fahrer eingeteilt und nun sprang ich als Logistikverantwortlicher in die Presche.
Mein Kommandant reagierte verständnisvoll und bot an, mir Schritt für Schritt zu zeigen, wie die Aufgabe zu erledigen wäre.
Ja, ich wurde ins kalte Wasser geschmissen; dennoch bekam ich von meinem Kommandanten symbolisch gesehen Schwimmflügel.
Es waren harte Tage und Nächte. Rund um die Uhr standen wir im Pikettdienst für einen Einsatz bereit.
Ich entwickelte einen starken Ehrgeiz, denn ich wollte meinem Kommandanten beweisen, dass ich diese Aufgabe packen konnte.
Voll reingekniet in diesen Auftrag habe ich bald gemerkt, dass meine Ressourcen ausgeschöpft waren. Ich konnte nicht mehr klar denken, sehen und fühlen; ich war wie blockiert.
Ich musste am dritten Tag meine Partnerin anrufen. Mit verzweifelter Stimme bat ich sie, mich abzuholen und nach Hause zu bringen.
Zuhause lag ich im Bett, geschlafen habe ich dennoch nicht. Mein Kopf liess sich einfach nicht abschalten. Es ratterte wie ein Uhrwerk in meinem Gehirn: «Es gibt immer einen Grund, weshalb eine Person für eine Aufgabe ausgewählt wird.» Mit diesem Leitspruch ging ich am Folgetag wieder zur Arbeit.
Die Belastung legte sich, als ich in meinem Team um Hilfe bat; es war die Entlastung, die ich dringend benötigte, um überhaupt einmal abschalten zu können.
Mein Team hat mich unterstützt und bat mich um eine Alarmierung: Sie boten mir an, dass sie dann umgehend auf den Platz kämen und mit einem im Vorfeld erstellten Zeitplan für die Erholung aller beteiligten Kräfte sorgen würden.
Wie ich mich fühlte? Zwei Worte: erleichtert und froh. Inzwischen kam ich sogar wieder mit Freude und ohne Anspannung zum Camp zurück und konnte mit ihnen gemeinsam wirken.
Meine wertvollste Erkenntnis aus diesem intensiven Einsatz war, dass wir ein unschlagbar geniales Team hatten, auf welches mensch sich blind verlassen konnte.
Ohne das Team hätte ich diesen Einsatz keinesfalls gemeistert.
Heute kann ich Probleme besser angehen, auf Menschen im Team vertrauen und bin definitiv für den nächsten Einsatz bereit.

Es war keine einfache, aber eine lehrreiche Zeit!
Mittlerweile bin ich Chef Dienstbetrieb und wachse jeden Tag gemeinsam mit meinem Team.