«Bei solch einem Szenario bin auch ich nicht mehr locker.»
Markus, 55 - Schichtleiter Einsatzleitzentrale
Ich kann mich erinnern als wäre es gestern gewesen.
Ich hatte Nachtdienst, kam gerade zur Schichtübergabe und spürte sofort die sehr angespannte Stimmung als ich den Raum betrat. Alle schienen viel angespannter als sonst und eine Spur von Hektik war deutlich spürbar. Ich sah nur sehr ernste und nervöse Blicke auf allen Gesichtern.
In der Regel starte ich bei Dienstantritt als Schichtleiter zuerst meinen Computer, lese Informationen und sichte die aktuellen Fälle. Dann erfolgen die Dienstübergabe und das Briefing. Anschliessend übernehme ich an dem Punkt, an dem der Kollege seine Arbeit beendet. Wir sind ein eingespieltes Team, welches sehr professionell und routiniert zusammenarbeitet. So leicht bringt uns nichts aus der Ruhe.
Damals kam ich in der zweiten Phase des Einsatzes dazu. Es war bereits ein aussergewöhnlicher Grosseinsatz mit verschiedensten Einsatzteams am Laufen. Mit der Koordination waren ausschliesslich zwei meiner Kollegen aus dem Krisenteam beschäftigt. Wir waren in Dauerkonferenzschaltung mit der Betriebszentrale für die Züge der SBB, der Kantonspolizei und unserer Kolleginnen und Kollegen der Transportpolizei vor Ort. Tatsächlich wurden rund ein Dutzend Einsatzorganisationen aufgeboten.
„Stark alkoholisierter Mann äusserte, dass er im Zug eine Bombe zünden werde,“
Fahrgäste meldeten dies dem Zugpersonal und so wurde ein Notruf in unserer Notrufzentrale abgesetzt. Dann startete bei uns das „Rösslispiel“, wie wir es nennen.
Ein Rösslispiel bedeutet, dass die Komplexität der Aufgaben im Hintergrund schlagartig und enorm steigt und wir viele zusätzliche Einheiten aktivieren und mehrere, gezielte Schritte einleiten müssen. Dies sowohl innerhalb der Notrufzentrale, in dem wir mehrere Mitarbeitende ausschliesslich für die Koordination solcher Einsätze beanspruchen, als auch andere Einsatzorganisationen, wie zum Beispiel die Rettung und die kantonale Polizei aufbieten.
Äusserlich wirke ich in solchen angespannten Situationen meist sehr ruhig, innerlich fühle ich mich aber wie auf heissen Kohlen. Dann muss ich erst einmal durchatmen, um mit der Anspannung so gut wie möglich umgehen zu können. Das Wichtigste in einer solchen Situation ist, dass ich als Schichtleiter den Überblick behalte, um die richtigen Fäden ziehen zu können.
Im konkreten Fall wurde der Täter festgenommen. Anschliessend musste der Zug stundenlang mit Spürhunden durchsucht werden. Der Gedanke, der tatsächlichen Bedrohung und die damit verbundene Gefahr für die Kollegen vor Ort, ist immer präsent. Ich versetze mich jeweils in die Kollegen vor Ort und fiebere mit, auch wenn ich nicht direkt in der Situation bin und nur indirekt helfen und unterstützen kann.
Dann endlich die erlösende Nachricht von der Einsatzleitung vor Ort. Nichts gefunden.
Es war ein Fehlalarm!
Zum Glück!
Man muss immer vom Schlimmsten ausgehen und umso beruhigender ist es, wenn sich herausstellt, dass es eine Fehlmeldung war. Die ganze Mannschaft atmete erleichtert auf. Wir waren alle froh, dass die Situation schlussendlich nicht ganz so gefährlich war wie Anfangs gedacht. Letztendlich war es eine gute und herausfordernde Übung für uns alle.
Ist man ein paar Stunden voll auf Adrenalin und derart gepuscht, braucht es Zeit, bis man wieder runterfahren kann.
Dennoch, als Mitarbeitende/-r der Einsatzzentrale, bist du sogleich wieder bereit, wenn der nächste Anruf folgt und Menschen sich in Not befinden und Hilfe benötigen.