«Ich musste lernen, mit dieser Ungewissheit und Anspannung zu leben.»

Andrea, 42 - Rega-Notärztin

Als Rega-Notärztin halte ich mich während meines Pikettdienstes rund um die Uhr auf der Einsatzbasis bereit. Ich weiss nie, wann wir zum nächsten Einsatz gerufen werden. Und ob uns dieser ins Hochgebirge zu einem abgestürzten Kletterer führt oder ob ein intensivmedizinischer Spezialtransport von einem Regionalspital in ein Zentrumsspital ansteht. Mit dieser Ungewissheit und Anspannung zu leben, musste ich zuerst lernen. Mittlerweile weiss ich, dass ich im Ernstfall rasch bereit bin und es mir gut gelingt, «den Schalter umzulegen». Nicht zu wissen, was auf einen zukommt – das ist für mich ein Teil der Faszination für diese Aufgabe.

Ich arbeite zu je 50 Prozent als Notärztin für die Rega und als Anästhesistin im Luzerner Kantonsspital. Meine Aufgabe bei der Rega ist unglaublich vielseitig und fordert mich immer wieder aufs Neue. Ich trage die medizinische Verantwortung für die Versorgung des Patienten* oder der Patientin*. Wir haben zwar viele mobile medizinische Hightech-Geräte an Bord, aber trotzdem haben wir bei der Versorgung im Gelände nicht dieselben Möglichkeiten wie in einem Spital. Zudem spielen im Freien noch andere Faktoren eine Rolle, zum Beispiel das Wetter. Es ist ein grosser Unterschied, ob ich im Spital in einem sterilen Raum bei Zimmertemperatur einen Zugang für eine Infusion stechen muss oder ob ich dies bei starkem Wind, Schneefall und Minustemperaturen mit klammen Fingern in einem Steilhang tun muss.

Ich werde oft gefragt, ob mir denn tragische Einsätze nicht Mühe bereiten. Meine Haltung ist sehr simpel: Wenn wir eintreffen, ist das Unglück schon passiert. Wir können dann mit den richtigen Massnahmen am Unfallort eine Weiche stellen und dafür sorgen, dass ein:e Patient:in weniger lange im Spital bleiben muss. Obwohl jedes Crewmitglied im Helikopter – Pilot:in, Rettungssanitäter:in oder Notarzt*Notärztin – ein eigenes Aufgabengebiet hat, arbeiten wir sehr eng zusammen und suchen die beste Lösung für unsere Patient:innen. Gemeinsam helfen zu können, ist ein tolles Gefühl.

Die Zusammengehörigkeit in der Crew ist auch sehr wichtig bei tragischen Einsätzen. Denn es gibt Situationen, in welchen wir das Leben eines Patienten* oder einer Patientin* nicht retten können. Besonders wenn Angehörige vor Ort sind, sind das schwierige Momente, die mir nahegehen. Während der Einsätze habe ich eine klar definierte Aufgabe und bin sehr fokussiert. Aber die Gefühle holen einen manchmal nach einem Einsatz ein. Dann sprechen wir innerhalb der Crew darüber. Das hilft immer.